Liebe Genossinnen und Genossen, liebe Freundinnen und Freunde,
hiermit möchten wir zur o. g. Anfrage der CDU-Fraktion im Rat der Stadt Witten (PDF) Stellung beziehen.
Die in der Anfrage gemachte Unterstellung, es handle sich beim Trotz Allem um eine „extremistische Organisation“, entbehrt jeglicher Grundlage und dient einzig und allein der Verleumdung unseres demokratischen und antifaschistischen zivilgesellschaftlichen Engagements in Witten. Unser soziokulturelles Zentrum leistet seit Jahren einen in seiner Form bis heute einzigartigen Beitrag zu Wittens selbstverwalteter, unkommerzieller und unabhängiger (Jugend-)Kultur. Dass die Wittener CDU-Fraktion unser basisdemokratisches Politk- und Kulturverständnis nicht teilt, ist weder verwunderlich, noch besonders ärgerlich, ist es doch kein Geheimnis, dass das Publikum des Trotz Allem sich deutlich weiter links verortet, als der innerhalb seiner Fraktion rechtsaußen zu verortende Werte-Unionler Simon Nowack und seine Mitstreiter, welche die gegen uns gerichteten Anfrage im Wittener Rat unterzeichnet haben. Dass die CDU-Ratsmitglieder aber versuchen, uns in die Ecke der Antidemokraten zu stellen, ist eine einer demokratisch gewählten Partei unwürdige Frechheit, die wir mit dieser Stellungnahme entkräften wollen. Beispielhaft wollen wir hier eine kleine Auswahl unserer Veranstaltungen skizzieren, die in ehrenamtlicher Planung, Organisation und Durchführung seit Neueröffnung des mittlerweile dritten „Trotzes“ in der Wideystraße 44 im Frühjahr 2017 stattgefunden haben.
Am 4. Juli 2017 berichtete Verena Schäffer (MdL, Bündnis 90/Die Grünen) über die Arbeit des parlamentarischen Untersuchungsausschusses im Landtag NRW zum NSU. Im Herbst 2017 führten wir eine siebenteilige Veranstaltungsreihe mit Filmvorführungen, Vorträgen, Diskussionsveranstaltungen und Workshops zu den Themen Stadtentwicklung, Jugendkultur und Politik durch, zu der wir Experten der jeweiligen Themen einluden. Unterstützt wurde diese Reihe von „Demokratie Leben“.
Im Frühjahr 2018 startete eine Veranstaltungsreihe, die sich mit problematischen Zuständen im deutschen Gesundheitssystem und dem daraus resultierenden Spannungsverhältnis zur sozialen Frage auseinandersetzte. Eingeladen waren unter anderem Dr. Nadja Rakowitz vom Verein demokratischer Ärztinnen und Ärzte, sowie Katharina Schwabedissen als Vertreterin der Gewerkschaft ver.di. Großer Themenschwerpunkt des Jahres 2018 war allerdings die zweiteilige Veranstaltungsreihe zu Antisemitismus (Teil 1) und Erinnerungskultur (Teil 2), die in Zusammenarbeit mit der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, dem Wittener Jugendforum und dem Stadtarchiv Witten durchgeführt wurde. Finanziert wurde die Reihe über Spenden des Ortsverbands der Wittener Grünen und der DIG sowie den dem Jugendforum jährlich bereitgestellten Geldern von „Demokratie Leben“. Der Besucherandrang bei den insgesamt acht Veranstaltungen dieser Reihe war mitunter so groß, dass sowohl die Räumlichkeiten des Stadtarchivs als auch die unseren erschöpft wurden und Zusatztermine organisiert werden mussten. Anlass der Reihe war der achtzigste Jahrestag der Novemberpogrome, deren Jahrestag und die entsprechende Gedenkveranstaltung in der Synagogenstraße wir seit Jahren als verlässliche Partner mitgestaltet haben und auch weiterhin mitgestalten werden.
Im Jahr 2019 liegt unser Schwerpunkt auf den Themen kulturelle und materielle Teilhabe und Feminismus. Nachdem wir im Frühjahr bereits Knut Unger vom MieterInnenverein Witten einluden und vielfältige feministische Veranstaltungen durchgeführt haben, folgt im Herbst eine kleine, wiederum mit Geldern aus „Demokratie Leben“ vom Jugendforum geförderte Veranstaltungsreihe mit Filmen, Vorträgen und Workshops zu den Themen „Wohnen und Teilhabe“. Nicht unerwähnt soll außerdem das diesjährige Sommer- und Straßenfest bleiben, das das Trotz Allem zusammen mit Anwohnern aus dem Viertel dieses Jahr bereits zum dritten mal (an diesem Standort) organisiert hat sowie die erstmalige Teilnahme am Wittener Wiesenviertelfest, auf dem wir in diesem Jahr einen Teil des Programms der Initiativenbühne organisieren durften. Getreu unserem eigenen Anspruch unkommerzieller Kultur versuchten wir sowohl auf dem Wiesenviertelfest als auch bei unseren eigenen Veranstaltungen am Osszietzkyplatz kulturelle Teilhabe unabhängig vom Geldbeutel zu organisieren: kein Eintritt, kostenlose oder sehr günstige Getränke und Speisen, kostenlose Wasserversorgung der Gäste – dazu ein kostenfreies Kinder- und Bühnenprogramm.
Diese Liste ließe sich problemlos ergänzen, da Veranstaltungen politischer Bildung als auch kultureller Art regelmäßig im Trotz Allem oder in Zusammenarbeit mit unseren Partnern im Wittener Stadtgebiet stattfinden. Betont sei an dieser Stelle, dass die Kooperationen mit Werk°Stadt und Treff° zuletzt erstens immer für beide Seiten besonders erfolgreich verlaufen sind und zweitens eine mittlerweile jahrelange Tradition haben. Erinnern wollen wir beispielsweise an die „Grenzfrei“–Festivals, die kostenlose Open-Air-Konzerte in Witten ermöglichten, als an ein Wiesenviertelfest und ähnliche Veranstaltungen noch nicht mal gedacht wurde.
Unsere Position zu den anderen in der CDU-Anfrage als „extremistische Organisationen“ titulierten Gruppen haben wir in den letzten Jahren mehr als einmal deutlich gemacht, es gibt überhaupt keinen Grund (außer den der Diskreditierung zivilgesellschaftlichen Ehrenamts), das Trotz Allem mit diesen in eine Reihe zu stellen. So haben wir uns dieses Jahr beispielsweise maßgeblich an der Organisation des Protests gegen die Veranstaltung der AfD im Saalbau beteiligt (so wie wir auch den Protest gegen den ersten „Alternativen Wissenskongress“ AfD-naher Verschwörungstheoretiker 2015 mitorganisiert haben). Die Demonstration gegen die Veranstaltung wurde dabei getragen von einem überparteilichen Bündnis – welches die CDU im übrigen nicht unterstützt hat – aus dem die totalitäre MLPD nicht zuletzt durch das Engagement des Trotz Allem ausgeschlossen wurde. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass die CDU jetzt auf einmal das Thema für sich entdeckt. Verwundert sind wir außerdem darüber, dass türkischer Nationalismus in Witten für die lokale CDU plötzlich ein Thema ist: Dass es mitunter das Trotz Allem war, das die jährliche Vermietung der Husemannhalle an den lokalen Ableger der „Grauen Wölfe“ (türkische Ultranationalisten) schon vor Jahren skandalisiert hat, wird hier bewusst verschwiegen.
Dass die lokale CDU-Fraktion ein Veranstaltungsplakat als „gewaltverherrlichend“ missversteht und nicht in der Lage ist, es als zeitgenössische künstlerische Auseinandersetzung mit dem Diskurs zur aktuellen Klimakrise und Dieselskandal zu betrachten, während gleichzeitig das unglückliche Ende einer vor über zwei Jahren stattgefundenen Spontandemonstration am ersten Mai – welche im übrigen weder vom Trotz Allem organisiert, noch beworben wurde – als lächerliche Beleg für den Extremismus des Trotz Allem herhalten muss, zeigt, wes Geistes Kind Ratsherr Simon Nowack und seine Mitstreiter sind.
Wir hingegen werden uns vom populistischen Aktionismus lokaler CDU-Größen selbstverständlich nicht beirren lassen und wie gewohnt unseren Teil zur demokratischen und antifaschistischen (Jugend-)Kultur in Witten beitragen.
Plenum des Trotz Allem im August 2019