Der Ossietzkyplatz wurde vor 150 Jahren geplant. Galen- und Breite Straße wurden neu angelegt, Widey- und Augustastraße verbreitert und begradigt. Sie sollten ein neu entstehendes Stadtviertel erschließen, das ein großes Dreieck bildete. Dessen eine Seite war die Breite Straße bis zum Ossietzkyplatz, seine zweite der Straßenzug Widey- und Marktstraße und seine dritte die Breddestraße. Der Ossietzkyplatz bildete die nördliche Ecke dieses Dreiecks. Er sollte dem neuen Stadtteil als Marktplatz dienen. 1870 konnte die Stadt das für den Platz benötigte Gelände kaufen, ein paar Jahre später war er fertig. Zu Ehren des deutschen Kaisers erhielt der Platz den Namen „Wilhelmsplatz“.
Als Markt wurde er anders als geplant nie genutzt. Was sollte die Stadt nun mit dem Platz anfangen? 1875 wurde vorgeschlagen, ihn mit der „Germania“, dem Kriegerdenkmal, zu schmücken. Die größere Schwester des Platzes, der Karl-Marx-Platz, wurde ihm aber vorgezogen. Aber wenig später wurde er dennoch zu einem Gedenkort, denn am 18. Oktober 1878 wurde die „Friedenseiche“ vom heutigen Rathausplatz (damals noch Marktplatz) auf den Ossietzkyplatz umgepflanzt. Die Turngemeinde Witten hatte sie der Stadt Witten aus Anlass des 50. Jahrestags der Völkerschlacht von Leipzig (1813) geschenkt. Er musste von seinem zentralen Standort auf dem Marktplatz weichen, weil der Platz gepflastert werden sollte. Diese Eiche steht noch heute auf dem Ossietzkyplatz, und zwar an dessen nordöstlicher Spitze, die zum Crengeldanz weist.
Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts wurden nach und nach immer mehr Wohnhäuser rund um den Platz errichtet. Bäcker, Metzger, Schreiner, Tischler, Kaufleute und mindestens vier Gastwirtschaften siedelten sich rund um den Platz an. Noch heute stehen u.a. die Häuser des 1895 gegründeten „Spar- und Bauvereins“. Er war die erste Wohnungsbaugenossenschaft Wittens und errichtete damals u.a. die Häuser Breite Straße 69, 71, 73 und 75. Dort wohnten meistens Arbeiter und Handwerker. Ihre Bewohner_innen bildeten ein ziemlich stabiles sozialistisches Milieu. Viele Kommunist_innen und Sozialdemokrat_innen wohnten dort. 2014 wurde zum Andenken an den jüdischen Journalisten Adolf Fuchs am Haus Breite Straße 75 eine Tafel angebracht. Er wurde von den Nazis verfolgt und 1942 in Auschwitz ermordet.
Als das Foto 1906 aufgenommen wurde, galten der Platz mit der „Friedenseiche“ und den anderen Bäumen als sehenswerter Ort. Mehrere Reiseführer für Witten hoben ihn hervor und empfahlen, ihn zu besichtigen. Er diente in jener Zeit als einer der städtischen Kinderspielplätze.
1947 erhielt der Platz seinen heutigen Namen. Carl von Ossietzky war als Soldat im Ersten Weltkrieg zum überzeugten Pazifisten geworden. 1919 wurde er Generalsekretär der Deutschen Friedensgesellschaft und gehörte zu denen, die die Friedensbewegung „Nie wieder Krieg“ gründeten. Mit journalistischen Mitteln kämpfte er in der Weimarer Republik gegen die geheimen Rüstungspläne des deutschen Militärs. Eine Enthüllungs-Story darüber brachte ihn 1931 ins Gefängnis. Den Nazis war der überzeugte Demokrat und Pazifist erst recht ein Dorn im Auge. Sie ließen ihn im Februar 1933 verhaften und in ein Konzentrationslager bringen, wo er schwer gefoltert wurde. Wegen einer Lungenkrankheit wurde er 1936 in das Berliner Polizei-Krankenhaus verlegt. Dort erreichte ihn die Nachricht, dass ihm der Friedensnobelpreis für das Jahr 1935 verliehen worden war. Er durfte das Krankenhaus aber nicht verlassen, um den Preis entgegennehmen zu können. Ossietzky starb 1938, immer noch im Krankenhaus.
Wie auf dem Foto zu sehen ist, stand an der Ecke Wideystraße/Breite Straße (Wideystraße 48) eine Villa. Sie wurde in den 1860er Jahren gebaut. Dort wohnte eine zeitlang der damalige Wittener Bürgermeister. Das noble Haus überstand alle Kriege, Anfang der 1980er Jahre stand es leer. 1984 zog eine Gruppe von Hausbesetzern ein, um es „instandzubesetzen“. Der Eigentümer war damit nicht einverstanden, er ließ es räumen und abreißen.