Gegen 06:15 Uhr am Morgen des 10. August 2011 drangen etwa 25 bewaffnete Polizeibeamte einer sächsischen Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit (BFE) in die Dienstwohnung des Stadtjugendpfarrers Lothar König ein. Lothar war während der Durchsuchung nicht anwesend. Er befindet sich derzeit im Urlaub. Bei der etwa fünfstündigen Aktion durchsuchte die Polizei neben Räumlichkeiten, die nicht von Lothar genutzt werden, auch die Amtsstube des Seelsorgers – obwohl die Polizei über das besondere Schutzbedürfnis solcher Räume informiert war. Aus diesem Zimmer wurden Gegenstände konfisziert. Neben der Schamlosigkeit und Rücksichtslosigkeit, mit der die sächsischen Behörden gegen Lothar König und seine Funktion als Stadtjugendpfarrer, Seelsorger und Geheimnisträger vorgegangen sind, empört uns im Besonderen das Beschlagnahmen des JG-Dienstwagens. Der bundesweit bekannte Lautsprecherwagen, mit dem auf Demonstrationen Leute eingesammelt, mit Informationen, Musik, Wasser und Kaffee versorgt werden, wurde als „Tatmittel“ ab- und nach Sachsen verschleppt. Damit wird die alltägliche Arbeit der JG empfindlich behindert.
Skandalös ist zudem der Vorwurf gegen Lothar: Er soll bei Protesten gegen den Naziaufmarsch am 19. Februar 2011 in Dresden aus seinem Lautsprecherfahrzeug zum Landfriedensbruch angestiftet haben. Dass sechs Monate und unzählige Fahrten später dieser Pkw konfisziert wird, kann nur als Schikane und absichtliche Behinderung der Arbeit der JG durch die sächsischen Behörden verstanden werden.
Diese agierten zumindest in einer rechtlichen Grauzone. Das Thüringer Innenministerium und die Thüringer Polizei wurden eigenen Angaben zu Folge nicht vorher von der Operation in Kenntnis gesetzt. Somit sind die Hoheitsrechte des Freistaat Thüringens verletzt wurden.
Dabei reiht sich die Razzia in Jena in eine Liste von Aktivitäten ein, bei denen sächsische Behörden den Boden von Rechtsstaatlichkeit und Verhältnismäßigkeit verlassen haben. Für Schlagzeilen sorgte bspw. das massenhafte Erfassen und Auswerten von Handygesprächsdaten von DemonstrantInnen, JournalistInnen, RechtsanwältInnen, parlamentarischen MandatsträgerInnen und unbeteiligter AnwohnerInnen am 19. Februar in Dresden. Die Razzia ereignete sich kurz nach dem Erscheinen eines „Spiegel“-Artikels, in dem sich Lothar König sehr deutlich über die Repressionen und das Demokratieverständnis der Dresdner Behörden äußerte. Dies hinterlässt nicht nur bei uns den faden Beigeschmack einer Rache-Aktion beleidigter sächsischer Beamter.
Darüber hinaus bezweckt die Razzia bei dem prominenten Antifaschisten die Einschüchterung von linken AktivistInnen und NazigegnerInnen, die auch im nächsten Februar wieder gegen den größten Europäischen Naziaufmarsch in Dresden vorgehen werden. Die Botschaft der ErmittlerInnen ist eindeutig: „Es kann jeden treffen, der sich kritisch äußert.“ Überwachung, Ermittlungsverfahren und Hausdurchsuchung stellen antifaschistischen Protest öffentlich in eine politische Schmuddelecke und kriminalisieren Engagierte. Schlussendlich soll so deren Bereitschaft zur Teilnahme an entsprechenden Veranstaltungen sinken. Auf diese Weise schränken die sächsischen Organe das Grundrecht auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit in erheblichem und für uns unerträglichen Maße ein. Betroffen von den Repressionen ist Lothar, gemeint sind wir alle.
Mit dieser Einschätzung stehen wir nicht allein. Noch während der Durchsuchung kritisierten PassantInnen und PolitikerInnen Razzia und Beschlagnahmung des Lautsprecherwagens. Die evangelische Kirche und verschiedene Vereine schlossen sich der Kritik an. Die Presse berichtete bundesweit ausführlich und überwiegend kritisch. Mit Ausnahme der CDU haben sich inzwischen alle im Landtag vertretenen Parteien kritisch geäußert. Noch am späten Nachmittag demonstrierten etwa 600 Menschen, darunter auch der Oberbürgermeister Albrecht Schröter und viele ParlamentarierInnen, gegen den Polizeieinsatz und erklärten sich mit Lothar solidarisch.
Feststeht: Wir lassen uns nicht einschüchtern!
Der Einsatz der sächsischen Staatsanwaltschaft und Polizei wird die Landtage in Sachsen und Thüringen beschäftigen. Juristische Schritte werden geprüft. Zudem laufen Vorbereitungen zur politischen Auseinandersetzung mit der systematischen Einschränkung unserer Grundrechte! Wir rufen auf: Organisiert und unterstützt Soliaktionen! Soliaktionen kosten Geld: Anwaltskosten, Material, Aktionen, neuer Lauti!!
Spendet bitte für die Soliarbeit auf folgendes Konto:
JG-Stadtmitte Förderkreis, Kontonummer: 80 25 M320, Bankleitzahl: 520 604 10, Evangelische Kreditgenossenschaft, Verwendungszweck: „Solidarität“
Soliarbeit und Soliaktionen kosten Zeit und Kraft – jede Unterstützung wird derzeit benötigt! In den nächsten Tagen sind wir jeweils ab 09.00 Uhr morgens bis ca. 20.00 Uhr oder länger in der JG-Stadtmitte anzutreffen. Kommt einfach vorbei. Telefonisch erreicht ihr uns unter: 03641 444367, per mail unter: soligruppe@jg-stadtmitte.de.
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