Wir dokumentieren an dieser Stelle ein Flugblatt, welches das Maikomitee auf der diesjährigen DGB-Kundgebung am 1. Mai verteilt hat:
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
am 1. Mai, dem Kampftag der Arbeiterklasse, machten im letzten Jahr einige Aktivistinnen und Aktivisten auf der zentralen Maikundgebung des DGB auf dem Rathausplatz in Witten darauf aufmerksam, dass sich antikapitalistisches Engagement nicht in Bratwurstessen und Biertrinken erschöpft. Stattdessen forderten sie, das bestehende System und die herrschenden Verhältnisse grundsätzlich zu hinterfragen. Sowohl einige Lokalpolitiker, als auch die staatliche Ordnungsmacht, schienen leider ein massives Problem mit dieser Form einer spontanen Meinungsäußerung zu haben. Gerne würden wir deshalb die Gelegenheit jetzt nutzen, um auf dringende Probleme, die eigentlich in den Aufgabenbereich von Gewerkschaftsarbeit fallen, hinzuweisen:
Wir erleben derzeit ein kollabierendes Pflege- und Gesundheitssystem, das nicht nur Beschäftige, sondern auch Patienten – also uns alle – betrifft und gefährdet. Während sich die große Koalition mit der Frage beschäftigt, ob eine paritätische Finanzierung der Kranken- und Pflegeversicherung durch Arbeitnehmer und Arbeitgeber derzeit angesagt sei oder nicht, wird von keiner Seite die grundsätzliche Frage gestellt, ob nicht ein marktwirtschaftlich organisiertes Gesundheitssystem bereits die Wurzel all dieses Übels ist. Wir schließen uns dem bundesweiten Arbeitskampf unserer Kollegen und Kolleginnen gegen diese sittenwidrigen Umstände an! Wir fordern ein solidarisches Gesundheitssystem, das den Menschen in den Mittelpunkt stellt und nicht das Profitinteresse von Krankenhauskonzernen!
Aufgabe einer Sozialdemokratie, die sich ernst nimmt, wäre die Abschaffung des Hartz IV Repressionssystems! Von der groß angekündigten Erneuerung kann doch gar keine Rede sein – ganz im Gegenteil!
Doch ein sanktionsfreies Unterstützungsprogramm für arbeitssuchende Menschen ist unter den herrschenden Verhältnissen wohl leider kaum zu haben. Die Prekarität dieses Systems ermöglicht die Prekarität in der Arbeit. Nur mit der Drohung „Hartz IV“ im Nacken sind Menschen dazu bereit, unter unwürdigen Bedingungen und für einen Mindestlohn, der seinen Namen nicht wert ist, den unverschämten Reichtum einiger Weniger zu mehren!
Während der Staat innerhalb der sozialen Frage die Widersprüche zuspitzt, nutzt die Regierung unter dem Deckmantel der „inneren Sicherheit“ jede Möglichkeit den Repressionsapparat weiter auszubauen, um noch die letzten Überreste bürgerlicher Freiheiten abzuschaffen. Dass Leute, die am 1. Mai mit einer roten Fahne in der Hand an der DGB-Kundgebung teilnehmen, die Polizei in Panik versetzen, dass eine komplett friedliche Demonstration durch ranghohe konservative Politiker in der Lokalpresse skandalisiert wird, dass eine solche Demonstration nicht als kritisch-solidarischer Beitrag innerhalb einer demokratischen Zivilgesellschaft verstanden wird, das alles ist Ausdruck eines gesellschaftlichen Rechtsrucks!
Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Genossinnen und Genossen, der eigentliche Skandal ist doch, dass noch die frechsten Vertreter eines Klassenkampfes von oben, dass noch die schlimmsten Propagandisten der Leistungs- und Konkurrenzgesellschaft, dass noch die rechten Stimmungsmacher für den Abbau von Freiheits- und Arbeitnehmerrechten hier auf dieser Kundgebung stehen dürfen. Gemeint ist hierbei ausdrücklich und noch vor allen anderen der christdemokratische Arbeitnehmerverband.
Für einen linken ersten Mai in Witten!