Liebes Back Up–Team,
hiermit antworten wir auf Ihre Raumanfragen für Infoveranstaltungen in unseren Zentren.
Wir finden es sehr begrüßenswert, dass es eine Beratungsstelle für Betroffene von rechter Gewalt mittlerweile auch in Westfalen gibt, und halten diese für absolut notwendig. Dennoch haben die Plena unserer Zentren entschieden, dass eine Zusammenarbeit mit der Beratungsstelle Back Up zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht möglich ist. Aktuell können wir den Menschen, die unsere Räumlichkeiten nutzen, nicht vorbehaltlos empfehlen, sich an Back Up zu wenden.
Das liegt vor allem an bisher weder korrigiert noch richtiggestellten Äußerungen eurer wissenschaftlichen Leiterin Claudia Luzar, die sie zum Jahreswechsel in einem offenen Brief „an Neonazis, deren Gegner, Politiker, Polizei, Justiz und Medien“ formulierte. Alleine das Ansinnen, sich scheinbar gleichberechtigt an Neonazis und ihre Gegner*innen zu wenden, widerspricht der von Ihnen behaupteten Parteilichkeit für Betroffene von rechter Gewalt. Implizit redet Back Up damit außerdem der wissenschaftlich hoch umstrittenen Extremismustheorie das Wort, die nicht zuletzt rechte Gewalt aus der sogenannten Mitte der Gesellschaft verharmlost. Wir sind der Überzeugung, dass Back Up damit dem Kampf gegen Neofaschismus und rechte Gewalt ernsthaften Schaden zugefügt hat. Der Sinn einer solch allgemein unverbindlichen Ansprache „an alle“ erschließt sich uns nicht und hat uns in seiner offensichtlichen Naivität stark verblüfft.
In unseren Augen ist es ein No-Go, dass ausgerechnet eine Beratungsstelle für Betroffene rechter Gewalt Neonazis Tipps gibt, wie sie Menschen besser davon überzeugen könnten, „dass ihr politischer Weg der richtige ist“. Eine Beratungsstelle, die den Eindruck erweckt, nun auch Politikberatung für die neofaschistischen Täter*innen zu leisten, ist unserer Meinung nach keine gute Ansprechpartnerin für von Neonazi-Gewalt Betroffene.
Von einer Beratungsstelle, die wir Menschen in unserem Umfeld empfehlen können, erwarten wir, dass sie tatsächlich parteiisch und solidarisch mit den Betroffenen rechter Gewalt ist. Der von Claudia Luzar ausgesprochene Rat an die Neonazis, sie sollten doch „ihre demokratischen Möglichkeiten“ nutzen, steht im krassen Widerspruch dazu. Er wirkt außerdem gefährlich naiv. In Dortmund kann man gerade den Versuch der verbotenen Kameradschaft „Nationaler Widerstand Dortmund“ beobachten, ihre Strukturen in die Partei „Die Rechte“ zu überführen, um das Verbot der Gruppe auszuhebeln. Ist das eine „solche demokratische Möglichkeit“ die Claudia Luzar meint?
Wir erwarten außerdem, dass eine Beratungsstelle für Betroffene rechter Gewalt keinen Zweifel daran aufkommen lässt, dass sie nicht nur die Gewalt der Neonazis ablehnt, sondern auch deren autoritäre, rassistische und menschenverachtende Ideologie, die sich dann in dieser Gewalt manifestiert. Das Gegenteil ist in dem zum Jahreswechsel von Back Up veröffentlichten offenen Brief zu entnehmen. Indem Claudia Luzar die Aktivitäten der Neonazis mit der Floskel „ihr politischer Protest” zusammenfasst, verharmlost sie das rassistische und menschenverachtende Programm der militanten Rechten in nicht hinzunehmender Weise.
Weiter fordert Claudia Luzar von Nazi-Gegner*innen in dem Brief pauschal, sich „nicht von Neonazis provozieren“ oder sich „zu Gewalt hinreißen“ zu lassen. Implizit unterstellt sie damit Antifaschist*innen eine latente Gewaltbereitschat und rät den Gegner*innen der Neonazis, lieber „Opfer“ zu werden, als antifaschistischen Protest auf die Straße zu tragen und sich gegen Angriffe von Nazis zu wehren. Diese Äußerung kann als Delegitimierung der Selbstverteidigung bei Nazi-Übergriffen verstanden werden. Dabei ist das Anwenden von Gewalt in Notwehr-Situationen sogar gesetzlich erlaubt – natürlich auch bei Nazi-Übergriffen. Eine pauschale Aufforderung, auf das Notwehrrecht bei militant rechten Angriffen zu verzichten, halten wir für nicht sachgerecht und sogar gefährlich.
Dass Claudia Luzar weiter pauschal und ohne Ansehen des Einzelfalls Betroffenen rechter Gewalt empfiehlt eine Strafanzeige bei der Polizei zu stellen, ist ein weiterer Grund für uns, in Frage zu stellen, ob Back Up eine unabhängige Beratung bieten kann. Schließlich sind unabhängige Beratungsstellen doch gerade auch als Anlaufstelle für jene gedacht, die sich aus unterschiedlichen Gründen nicht bei der Polizei melden wollen oder können – zum Beispiel für Menschen ohne gültige Aufenthaltspapiere, die eine Abschiebung befürchten müssen. In solchen Fällen ist es Aufgabe der Beratungsstelle, ganz individuell zu klären, ob bzw. wie vermieden werden kann, dass ein Gang zur Polizei noch größere Probleme für die von einem Nazi-Übergriff Betroffenen mit sich bringt. Ähnlich sieht es bei Betroffenen aus, die selbst schon einmal Opfer von Polizeigewalt geworden sind. Die Beratungsstelle sollte es auch geben, damit diese Menschen eine vertrauenswürdige Ansprechpartnerin außerhalb der Polizeibehörden haben, Die von Claudia Luzar verbreiteten und von der Beratungsstelle bis heute nicht richtig gestellten Empfehlungen lassen uns ernsthaft daran zweifeln, ob Back Up dem Anspruch einer auch von Polizei- und Strafverfolgungsbehörden unabhängigen Beratung noch gerecht werden kann.
Diese massive Kritik an den von Claudia Luzar zum Jahreswechsel verbreiteten Empfehlungen ist bereits vor mehr als einem Monat in ähnlicher Form von verschiedenen Initiativen gegen Rechts formuliert worden. Wir sind sehr enttäuscht darüber, dass Back Up sich bis heute nicht öffentlich dazu verhalten hat. Für uns steht außer Frage, dass Back Up die Positionen in den genannten Punkten glaubhaft korrigieren muss, bevor wir in Erwägung ziehen können, die Beratungsstelle den in unseren Räumen verkehrenden Menschen vorbehaltlos zu empfehlen.
Mit freundlichen Grüßen
Soziales Zentrum und Trotz Allem