Vortrag und Diskussion mit Dr. Renate Dillmann
Inzwischen halten die Proteste der „gelben Westen“ in Frankreich schon ein halbes Jahr an. Sie haben begonnen, als die Regierung eine deftige Steuererhöhung auf Benzin angekündigt hat. Die haben die Protestierenden ihre Forderungen seitdem massiv ausgeweitet; sie verlangen höhere Löhne, eine Besteuerung der Reichen, Maßnahmen gegen die grassierende Obdachlosigkeit, mehr Einfluss des Volks auf die Gesetzgebung und vieles andere – und den Rücktritt „ihres“ Präsidenten Macron, der sich für sie als Enttäuschung erwiesen hat.
Dass die Proteste zwischenzeitlich ganz Frankreich erfasst (und sich übrigens auch auf Belgien ausgeweitet haben), kriegt man hier in Deutschland ja noch so einigermaßen mit. Mit Informationen darüber, was die Gelbwesten eigentlich wollen, sieht es schon etwas anders aus.
Viel wichtiger als die Deutschen darüber angemessen zu unterrichten, findet unsere Qualitätspresse nämlich die Frage, ob sich da eventuell Radikale von links oder rechts unters Volk mischen und vor allem, ob „Gewalt“ im Spiel ist. Darunter verstehen die deutschen Journalisten natürlich nicht die bei jeder Demonstration vorsorglich versammelte und martialisch ausgerüstete Polizei, ihre Tränengas-Granaten, Wasserwerfer und Räumpanzer bzw. die präventive Verhaftung der „üblichen Verdächtigen“ bereits vor Beginn der Demonstrationen – das alles fällt ja unter den Auftrag, „die Ordnung aufrechtzuerhalten“. „Gewalt“ ist für die Presse ganz eindeutig nur dort erkennbar, wo Barrikaden gebaut werden, Scheiben zu Bruch gehen oder Autos brennen. Wenn sie dann die Proteste bilanzieren, gilt ihre ganze Sorge der Frage, ob Macron sich gegenüber dem Protest durchsetzt, in seinem „Reformkurs“ hart genug bleibt oder etwa einknickt. Der Gesichtspunkt, ob die Protestierenden ihre materiellen Sorgen und Beschwerden durch Zugeständnisse der Regierung wenigstens ein Stück weit vom Hals kriegen, spielt demgegenüber einfach keine Rolle. Darin zeigt sich viel Parteilichkeit der freien Presse für das europäische und vor allem deutsche Programm, das Volk für Staatshaushalt, Euro und Wirtschaftswachstum zu verarmen – so wie Deutschland es mit seinen Hartz-IV-Gesetzen so vorbildlich vorgemacht hat…
Inzwischen hat es auf Seiten der Protestierenden wie der Regierenden Fortschritte gegeben. Einerseits ist Macron den Protesten ein Stück weit entgegen gekommen; gleichzeitig verschärft er das Demonstrationsrecht und setzt vermehrt Spezialkräfte zur Bekämpfung der Gelbwesten ein. Die Protestierer ihrerseits sehen sich heftigen moralischen Anfeindungen ausgesetzt und sortieren sich in ihrem Kampf auseinander bzw. ändern den Charakter ihrer Forderungen (Teilnahme EU-Wahl, basisdemokratische Forderungen etc.).
Auf der Veranstaltung soll darüber diskutiert werden,
- wie die deutsche Presse die französischen Proteste darstellt;
- was die „Gelbwesten“ an Frankreich und Macron auszusetzen haben;
- ob und wenn ja: welche Schlussfolgerungen daraus zu ziehen sind.
Fr. 7. Juni 2019, offen ab 18:30 Uhr, Vortrag ab 19:00 Uhr