Vortrag: „Extremismus“ – Kritische Überlegungen zu einem machtvollen Konzept
„Extremismus“ ist einer der wohl am meisten strapazierten Begriffe in politischen Diskursen. Er findet seiner Verwendung etwa in Polemiken gegen politischer Gegner*innen oder firmiert als Gegenentwurf zur Konstruktion der bestehenden staatlichen, gesellschaftlichen und ökonomischen Ordnung, die als „demokratische Mitte“ konstruiert wird, die durch die „Extremismen“ an den Rändern des politischen Spektrums, von „links“ und „rechts“ bedroht sei.
Insofern ist auch für Inlandsgeheimdienste und Strafverfolgungsbehörden, die den „Staatsschutz“ gewährleisten sollen, das Extremismuskonzept eine zentrale Grundlage ihres Handelns. Aber auch in anderen Bereichen ist das Extremismuskonzept allgegenwärtig. Flankiert wird diese administrative Praxis durch eine Reihe von wissenschaftlichen Akteur*innen und Institutionen, die sich um die Formulierung, Weiterentwicklung und Legitimation der „Extremismustheorie“ bemühen. Diese wird schon seit langem aus gesellschaftskritischer, emanzipatorischer, fachwissenschaftlicher und pädagogischer Perspektive kritisiert: Sie diene der Apologie der bestehenden Verhältnisse, die keineswegs „gut“, sondern von sozialer Ungleichheit und Rassismus durchzogen sei. Das Extremismuskonzept trage nichts zur Analyse von Rassismus, Antisemitismus, Antifeminismus und anderer Ideologien der Ungleichwertigkeit bei. Vielmehr suggeriere es eine Nähe zwischen völkisch–autoritären Strömungen und antifaschistischen, zivilgesellschaftlichen Akteur*innen, die sich für eine Gesellschaft der Vielen positionieren.